MV-fin

Länderporträt Sachsen-Anhalt

Die Vereine in Sachsen-Anhalt sind absolute Spitzenreiter. Sachsen und Thüringen führen zwar die Statistiken in Bezug auf die Gesamtzahl der gewonnen Neumitgliedern sowie die eingeworbenen Geldbeträge an. Aber in Sachsen-Anhalt sind die Vereine im Schnitt um die meisten Neuzugänge gewachsen. 36 Neumitglieder sind hier durchschnittlich einem Verein beigetreten – und diese Zahl ist umso beeindruckender, da mehr als die Hälfte der Neuzugänge hier aus Kleinstädten oder dem ländlichen Raum stammt. Wir haben mit der Künstlerstadt Kalbe in der Altmark und dem Förderkreis Gleimhaus aus Halberstadt darüber gesprochen, wie sie abseits der Metropolen erfolgreich Kulturarbeit machen und welche Potentiale der ländliche Raum dafür birgt.

„Viele Unterstützer möchten persönlich angesprochen werden“ – Künstlerstadt Kalbe e.V.

Corinna Köbele, Initiatorin der Künstlerstadt Kalbe in der Altmark, nennt das Projekt eine „soziale Skulptur“. Der Begriff ist Joseph Beuys entlehnt, der damit sein Kunstverständnis auf menschliche Handlungen ausweitete, die in die Gesellschaft hineinwirken. Ein Gemeinschaft gestaltender Geist herrscht auch in Kalbe: Mit einem breiten Angebot für alle Bürger schafft das Projekte Orte der Begegnung für die Menschen der Region. „Wir bieten auch niederschwellige Angebote, wie Urban Gardening“, sagt Corinna Köbele, und die Resonanz ist hervorragend. Davon hat auch ihre Mitgliedersuche profitiert: Insgesamt 97 Neumitglieder konnte der Verein im Wettbewerbszeitraum gewinnen – und es werden selbst nach Abschluss des «Call for Members» stetig mehr. Bei der Mitgliedersuche hat sich die Künstlerstadt aller Kanäle bedient. Es wurde im nahen Umfeld geworben, Besucher bei eigenen Veranstaltungen angesprochen sowie Aufrufe auf Facebook und im weiten Netzwerk des Vereins gestartet. „Viele Unterstützer möchten persönlich angesprochen werden“, resümiert Köbele ihre Erfahrungen.

Für den Verein war der «Call for Members» Anstoss, Mitglieder nicht nur als „Bonus“, sondern als wichtigen Teil der Vereinsarbeit und der Außenwirkung zu begreifen. Daher hat die Künstlerstadt Kalbe auch nicht versäumt, ihre Neumitglieder herzlich in Empfang zu nehmen: Das erste Wochenende des jährlichen Sommercampus bot ein umfangreiches Programm – von der Stadtführung bis hin zur gemeinsamen Ideenfindung für neue Kunst- und Kulturprojekte. In einer „strukturschwachen“ Region, wie die Altmark in der Politik genannt wird, macht der Verein aus Leerstand eine Tugend – „Wir bringen Fülle in die Hülle“.

„Jetzt erst recht!“ – Förderkreis Gleimhaus e.V.

„Bitte kümmern Sie sich um das Wort: benutzen Sie es häufig und hüten Sie es vor Mißbrauch und Verdrängung.“ So heißt es in der Wortpatenschafts-Urkunde des Gleimhauses für das Wort „Freundschaftskultur“. Und der Förderkreis des Halberstädter Literaturmuseums, benannt nach dem Aufklärer und Literatursammler Johann Wilhelm Ludwig Gleim, nimmt diese Verantwortung ernst. Man begreift sich nicht nur als Förder-, sondern auch als Freundeskreis des Hauses. Das Ansehen des Vereines in der Stadt ist hoch, die örtliche Presse berichtet regelmäßig und die Besucher sind dem Ort eng verbunden. Die 80 neuen Mitglieder wurden aber nicht nur vor Ort gewonnen, sondern auch unter den Wissenschaftlern, die im Gleimhaus zu Forschungszwecken mit den großen Beständen aus dem Nachlass von Gleim arbeiten. Die Direktorin Ute Pott konnte insbesondere mit der Idee einer „Partnermitgliedschaft“ große Erfolge verzeichnen – hier werben Mitglieder ihre Ehepartner. Ein Modell, das dem Förderkreis viele Neuzugänge beschert hat.

gleimhaus


Der «Call for Members» kam dem Förderkreis gerade zur richtigen Zeit. Denn bereits seit längerem war die Trägerschaft des Hauses durch den Verein in Gefahr. „Ein langer Prozess, in dessen Verlauf wir kurz davor waren, das Handtuch zu werfen.“, so heißt es im Jahresbericht 2016. Als die Finanzierung nach großen Anstrengungen gerettet werden konnte, kam der Wettbewerbsaufruf und der Verein sagte sich: „Jetzt erst recht!“. Die vielen Mitglieder leisten nun einen wichtigen Beitrag, finanziell, wie auch ideell. Denn, so schrieb Johann Wilhelm Ludwig Gleim, „der wahre Freund ist Freund in Worten und in Werken.“

 

Bildquelle: Gleimhaus, Aussenansicht, Bleistiftzeichnung von Carl Jordan, 1862, www.gleimhaus.de